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Die Epistemologie von Gor (Schriftrolle 80)

(The Cognitivity of Gor von Ubar Luther)

Es ist online weit verbreitet, dass Goreaner versuchen, die goreanische Philosophie mit dem Hinweis zu rechtfertigen, dass sie nur verlangt, natürlichen Prinzipien zu folgen. Männer und Frauen nehmen einfach ihre natürlichen Rollen im Leben ein, die alle ein Teil der "natürlichen Ordnung" sind. Alles, was natürlich ist, sollte von der Menschheit bereitwillig angenommen werden. Die Leugnung und Unterdrückung unserer grundlegenden Natur ist falsch und führt zu psychischen Problemen wie Norman mit Hilfe einer Reihe von Zitaten in der Gor-Serie beschreibt. Die Diskussion geht selten, wenn überhaupt, über diesen Punkt hinaus. Kritiker von Gor greifen meistens den Punkt an, ob diese Prinzipien wirklich natürlich sind oder nicht. Sie greifen selten, falls überhaupt, die Rechtfertigung an, ob das Befolgen der natürlichen Ordnung überhaupt richtig ist oder nicht. Sie argumentieren über Details, ohne das Größere zu beachten. Aber das Hauptproblem ist, dass diese zugrunde liegende Rechtfertigung sowohl trügerisch ist, als auch von John Norman selbst nicht unterstützt wird. Man sollte einem Prinzip nicht folgen, nur weil es natürlich ist. Es muss einen zwingenderen Grund für diese Rechtfertigung geben. Und genau diesen Punkt soll dieses Essay adressieren.

Es gibt so viele Fragen, die durch dieses Thema aufgeworfen werden, vom Allgemeinen zum Speziellen. Diese Fragen berühren einige wichtige Themen, weshalb sich jeder der überlegt, einer goreanischen Philosophie zu folgen, sie stellen sollte. Tatsächlich sind diese Fragestellungen für jeden relevant der erwägt, überhaupt irgendeiner Philosophie zu folgen.

Warum sollte jemand einer goreanische Philosophie folgen? Was ist die Erkenntnis einer goreanischen Philosophie oder, in anderen Worten, hat goreanische Philosophie einen Wahrheitswert? Wie kann man die Gültigkeit der goreanischen Philosophie beweisen? Welche Werte kann man aus der goreanischen Philosophie ableiten? Was wäre eine Begründung für die Befolgung der goreanischen Philosophie? Warum würde man die goreanische Philosophie einer anderen Philosophie vorziehen?

Was ist die natürliche Ordnung? Sollten wir jedem natürlichen Instinkt und Drang folgen? Wenn etwas natürlich ist, ist es dann würdig der Nachahmung oder Akzeptanz? Was ist der naturalistische Fehlschluss? Wie wird er auf die goreanische Philosophie angewandt?

Das neue Gebiet der evolutionären Psychologie, das auch als Soziobiologie bekannt ist, untersucht die genetische und evolutionäre Grundlage für unser Verhalten. Es versucht, die natürlichen Gründe zu erklären, warum wir so handeln, wie wir das tun. In diesem Zusammenhang hilft es zu definieren, was mit der natürlichen Ordnung gemeint ist.

Ein großer Teil unseres Verhaltens kann zu den frühesten Wurzeln der Menschheit zurückverfolgt werden, und zum Wunsch, sich selbst fortzupflanzen. Evolution funktioniert auf individueller Basis. Jeder versucht, seine eigenen Chancen zu verbessern, Nachwuchs zu zeugen. Dieser Trieb zur Fortpflanzung führt zu bestimmten Verhaltensweisen, die diese Chancen verbessern und dieses Verhalten wurde über unzählige Generationen weitergegeben. Zum Beispiel wird oft behauptet, dass der Mann in der Regel dominanter ist, da dominante Männer besser in der Lage waren, ihre reproduktive Zukunft zu sichern. In gleicher Hinsicht hatte die unterwürfige Frau die größere Chance auf Fortpflanzungserfolg.

Das klingt alles recht harmlos aber das Gebiet der Evolutionspsychologie ist nicht ohne aufgeheizte Kontroversen. Den größten Widerspruch gibt es zu den möglichen Anwendungen der Schlussfolgerungen, die von den Evolutionspsychologen gezogen werden. Vorwürfe des Verstoßes gegen den naturalistischen Fehlschluss gibt es im Überfluss. Kritiken, dass ihre Schlussfolgerungen verwendet werden, um Völkermord, Rassismus und Diskriminierung zu rechtfertigen sind weit verbreitet. Tatsächlich fällen wahre Evolutionspsychologen keine moralischen Urteile über ihre Schlussfolgerungen. Sie präsentieren einfach ihre Ergebnisse wie sie sind, ohne die Moral des Verhaltens zu befürworten. Sie begehen keinen naturalistischen Fehlschluss, weil sie keine moralische Position vertreten. Sie streiten nicht ab, dass ihre Erkenntnisse möglicherweise durch unmoralische Menschen missbraucht werden könnten, aber sie sind sicherlich nicht die Befürworter eines solchen Missbrauchs ihrer Arbeit.

Warum also gibt es diese Kontroverse? Erstens gibt es ein paar Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler, die genau das, was andere fürchten getan haben, nämlich die Ergebnisse der evolutionären Psychologie zu verwenden, um ihre eigenen rassistische oder diskriminierende Agenda voranzutreiben. Diese Personen haben versucht, die Ergebnisse zu verwenden, um bestimmte ethische Positionen zu rechtfertigen. Zum Glück sind diese Leute in der Minderheit. Zweitens haben Einzelpersonen in der Vergangenheit das Konzept der "natürlichen Ordnung" missbraucht, was deshalb einen schlechten Ruf bekommen hat. Zum Beispiel haben die Nazis dieses Konzept in ihrem Versuch missbraucht, ihre abscheuliche Völkermordpolitik gegen Juden, Zigeuner, Homosexuelle und andere zu rechtfertigen. Beide sind in die Falle des naturalistischen Fehlschlusses getappt.

Online-Goreaner können ebenfalls in die Kategorie jener gehören, die in die Falle des naturalistischen Fehlschlusses getappt sind und mit ihrem Glauben an eine "natürliche Ordnung" andere diskriminieren. Sie können die Fehler begehen, derer die Evolutionspsychologie beschuldigt wird. Und es wäre falsch, das zu tun. Ihr Fehler liegt vor allem in ihrer Unkenntnis der Materie, ihrem Versagen, bestimmte philosophische Konzepte besser zu verstehen und ihrem Scheitern, John Norman zu verstehen. Daher ist ein besseres Verständnis wesentlich für die Behebung der Fehler in ihrem Glauben.

Der naturalistische Fehlschluss ergibt sich aus der Arbeit von G. E. Moore, der erklärte, dass der Begriff "gut" nicht wirklich definiert werden kann. Jede Definition die wir versuchen, wird auf die eine oder andere Weise unzureichend sein. Es handelt sich hier um einen moralischen Begriff, der sich der Definition entzieht. Obwohl wir Beispiele von "guten" Sachen nennen können, können wir das Wesen dessen, was "gut" ist, nicht wirklich qualifizieren. Im Kern sagte Moore, dass sich wertende (präskriptive) Aussagen nicht ausgehend von natürlichen oder beschreibenden (deskriptiven) Eigenschaften definieren lassen. Dies wird manchmal auch so formuliert, dass man von dem, was "ist" nicht ableiten kann, was getan werden "sollte" (Sein-Sollen-Fehlschluss, Anm. d. Übersetzers). Nur weil in der Natur etwas so "ist", bedeutet das nicht, dass man dem folgen "sollte". Nehmen wir als Beispiel an, dass männliche Dominanz in der Natur nicht vorkommt. Wir haben jetzt eine deskriptive Aussage über die Natur des Menschen gemacht. Aber die Existenz dieses Merkmals allein rechtfertigt nicht, dass daraus ein moralisches oder ethisches Mandat werden sollte. Nur weil etwas natürlich oder instinktiv ist, bedeutet das nicht, es ist automatisch auch moralisch oder gut.

Die philosophische Gemeinschaft ist heute sehr von der Gültigkeit des naturalistischen Fehlschlusses überzeugt. Diejenigen, die einige Bedenken mit ihm haben, haben ihre Probleme oft in sehr speziellen Bereichen. Grundsätzlich kann man sagen, dass fast alle Philosophen ihn bestätigen würden, einschließlich John Norman. Normans eigene Dissertation befasste sich mit Moores naturalistischem Fehlschluss und war sein Versuch, Moores Arbeit zu widerlegen. Norman kam zum Ergebnis, dass er im Grunde nicht in der Lage war, den Trugschluss zu widerlegen, auch wenn er das Gefühl hatte, in einigen speziellen Bereichen ein paar Fragen aufgeworfen zu haben. Er gab widerwillig zu, dass Moore damit Recht haben könnte, dass ein Begriff wie "gut" nicht definiert werden kann.

Wenn wir also versuchen die goreanische Philosophie zu rechtfertigen, indem wir einfach behaupten, sie basiere auf der natürlichen Ordnung, begingen wir den naturalistischen Fehlschluss. Wir stützten unsere ethischen Systeme auf eine Beschreibung der Natur. Wir können nicht einfach eine Liste mit dem erstellen, was die natürliche Ordnung ist und dann erklären, dass das die Art ist, wie die Dinge sein sollten. Wir müssen nach einer tieferen Begründung für die goreanische Philosophie suchen. Darüber hinaus unterstützt sogar Norman selbst die Behauptung, dass man nicht jedem natürlichen Prinzip oder Instinkt folgen sollte. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass es bestimmte Dinge gibt die natürlich sein mögen, auf deren Grundlage man jedoch nicht handeln sollte und die auch nicht in ein andersgeartetes Streben integriert werden sollten.

Nehmen wir an, die Philosophie die er in seinen goreanischen Büchern vertritt, würde Norman auch in seinen Sachbüchern vertreten, eine Philosophie die er unterstützt. Es scheint wenig Grund zur Annahme zu geben, dass es einen signifikanten Unterschied zwischen der goreanischen Philosophie und Normans eigener Überzeugung in seinen Sachbüchern gibt. Mein vorheriger Aufsatz über "Imaginative Sex" zeigt viele Zusammenhänge zwischen dieser Arbeit und den Gor-Büchern. Und es ist diese Arbeit in die wir nochmal eintauchen müssen. Den in diesem Buch finden wir die Aussage von Norman, dass es bestimmte natürliche Aspekte gibt, denen sich der Mensch nicht hingeben sollte.

Norman beschreibt, wie alle Menschen von Natur aus sadistische und masochistische Tendenzen besitzen. Doch er räumt ein, dass sich die Menschen nicht frei diesen Trieben ergeben sollten. Sie sollten Wege finden, solche Bedürfnisse in sozialverträglicher Weise auszuleben, beispielsweise sie in sexuell-motiviertem Rollenspiel auszudrücken. Norman erwähnt auch, dass obwohl Männer einen gewissen natürlichen Instinkt zur Vergewaltigung besitzen, sie sich so einem Verlangen nicht hingeben dürfen. Darüber hinaus beschreibt er, dass alle Individuen bestimmte natürliche, homosexuelle Tendenzen besitzen. Wieder einmal stellt er fest, dass das Nachgeben in diese natürlichen Wünsche nicht der richtige Weg sei. Damit haben wir eine Reihe von Fällen in denen Norman mit Nachdruck feststellt, dass der Mensch nicht jedem natürlichen Aspekt von sich selbst folgen darf. Er muss solche Tendenzen beherrschen, oft aufgrund von ethischen Gründen.

Aber wie bestimmen wir, welche natürlichen Prinzipien befolgt werden sollten? Wie können wir nun versuchen, die goreanische Philosophie zu rechtfertigen, wenn wir nicht einfach auf die natürliche Ordnung zeigen können? Wir ziehen zu Beginn das anderen Sachbuch Normans, "The Cognitivity Paradox" zu rate. (Es gibt von diesem Buch keine deutsche Übersetzung, ein dt. Titel wäre vielleicht "Das Erkenntnisparadoxon", Anm. d. Übersetzers) In diesem Buch versucht Norman, den Begriff "Philosophie" zu definieren, wobei er darauf hinweist, er fände, der Begriff würde einfach nur "Vorschlag" bedeuten. Damit wäre die goreanische Philosophie auch ein Vorschlag, eine Empfehlung wie man sein Leben leben sollte, ein Vorschlag für eine ethische Struktur, die sich stark von dem unterscheidet, was in unserer modernen Gesellschaft existiert. Nachdem Norman Philosophie definiert hatte, stellte er die Frage ob eine Philosophie kognitiv sein könne oder nicht, ob sie einen Wahrheitswert besitzen könne oder nicht.

Gemäß seiner gebräuchlichsten Definition wäre ein Vorschlag nicht etwas, das entweder wahr oder falsch ist. Aber bestimmte Vorschläge können besser sein als andere. Und diese Vorschläge werden mit Hilfe angemessener Gegebenheiten beurteilt. Je besser ein Vorschlag zu den Rahmenbedingungen passt, umso mehr Wert wird ihm zugesprochen. Die Rahmenbedingungen sind einfach ein Satz von Zielvorgaben, anhand derer ein Vorschlag beurteilt wird. Hypothetisch könnte es einen idealen Satz angemessener Rahmenbedingungen und deshalb einen idealen Vorschlag geben, der perfekt zu diesen Gegebenheiten passt. Wenn dem so ist, könnte man daraus die Erkenntnis für einen philosophischen Vorschlag ableiten. Ihr Wahrheitswert würde entsprechend der Kompatibilität zu den Rahmenbedingungen variieren.

Um also die Kognitivität der goreanischen Philosophie zu beurteilen, muss man eine Reihe von angemessenen Gegebenheiten schaffen. Norman bietet in "The Cognitivity Paradox" wenig Unterstützung, so eine Liste zu erstellen. Wir sind also in dieser Hinsicht auf uns selbst gestellt und könnten wahrscheinlich viel Zeit damit verbringen, verschiedene angemessene Rahmenbedingungen zu diskutieren. Deshalb werden wir hier nur eine Möglichkeit untersuchen, eine in den Gor-Romanen erwähnte Sache. "Das Maß einer Gesellschaft ist vielleicht nicht ihre Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit Prinzipien sondern die Natur und der menschliche Wohlstand ihrer Mitglieder. Jeder möge sich selbst ansehen und für sich selbst den Erfolg seiner Gesellschaft beurteilen. Der Mensch lebt verwirrt in den Ruinen der Ideologien. Vielleicht wird er eines Tages aus den Höhlen und Käfigen seiner Vergangenheit heraustreten. Das zu sehen wäre ein wundervoller Tag. Eine sonnenbeschienene Welt würde auf ihn warten." (In Sklavenketten auf GOR, S. 212)

Vielleicht sollten wir deshalb anstelle darauf zu deuten, dass bestimmte Aspekte der goreanischen Philosophie natürlich sind, darauf hinweisen, wie verschiedene Aspekte uns zu besseren Menschen machen, glücklicher und zufriedener mit dem Leben. Denn ist nicht das Ziel jeder Philosophie, uns zu besseren Menschen zu machen? Wenn das der Fall ist, dann ist das vielleicht die erste Linse durch die wir die goreanische Philosophie untersuchen sollten. Anstatt darauf herumzureiten, was wir geopfert haben, um einer goreanischen Philosophie zu folgen, sollten wir betonen, wie wir davon profitiert haben. Das gibt dem ganzen Thema eine positive Wendung, anstelle der negativen Blickrichtung. Sind wir bessere Individuen, wenn wir goreanische Philosophie befolgen?

Die goreanische Philosophie sollte für alle sein. Norman würde zustimmen, dass die Erde stark davon profitieren würde. Sie war nicht beabsichtigt, eine Philosophie für die Elite zu sein. Sie war gedacht als Weg des Lebens für jeden. Natürlich werden viele Menschen die goreanische Philosophie ablehnen, aber das mehr aus Unwissenheit als aus anderen Gründen. Sie sind Opfer einer repressiven gesellschaftlichen Konditionierung, die ihre Sicht auf die Dinge verzerrt hat. Es gibt zurzeit vielleicht nur eine Elite, die die goreanische Philosophie richtig verstanden hat, eine kleine Gruppe, die einen Weg gefunden hat, ihre Konditionierung zu überwinden. Doch das bedeutet nicht, dass die Philosophie nur für diese Elite wäre. So etwas zu denken wäre ein falsches Verständnis dieser Philosophie.

Aus: "The Gorean Voice", Dezember 2002

(Übersetzung von Fiasco)

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